Kultur
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„Alles Fifty Fifty“
Kann man sich von der deutschen Filmkomödie scheiden lassen?
Von Elmar KrekelerRedakteur Feuilleton
Stand: 30.08.2024Lesedauer: 4 Minuten
Die gnadenlose Sonne Apuliens bringt es im neuen Scheidungslustspiel „Alles Fifty Fifty“ an den Tag: Zu lachen hat man als Deutscher auch dann nicht mehr viel, wenn sich Laura Tonke und Moritz Bleibtreu richtig viel Mühe geben, komisch zu sein.
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Es gibt ja die Theorie, dass man seine Traumata am besten dadurch bekämpft, dass man über sie lacht. Bei „Harry Potter“ zum Beispiel gibt es ein Wesen, das Irrwicht heißt und immer die Gestalt desjenigen annimmt, vor dem man am meisten Angst hat. Die Schwiegermutter kann das sein, der Chef oder Björn Höcke. Und dann wedelt man mit dem Zauberstab, ruft „Riddikulus“, der Irrwicht sieht komplett lächerlich aus, man lacht, der Irrwicht hat sich erledigt.
Die Funktion dieses Fluches (Menschen mit altsprachlicher Bildung unter uns wissen, wo Riddikulus semantisch herkommt) könnte in vermeintlich angstbeladenen Zeiten wie den Unsrigen natürlich die Komödie übernehmen. Wie ja immer schon Zeiten höchster Bedrängnis Zeiten der höchsten Komik waren. Man müsste sich Filmregisseure also vorstellen wie Zauberer, die sich vor die Gegenwart stellen und ein bisschen rumfuchteln: Alle lachen, allen geht es gleich besser.
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Wobei die Perspektive beispielsweise eines Bademeisters für einen Filmregisseur gar nicht mal die schlechteste wäre. Der sitzt und schaut und denkt sich seinen Teil, über das, was er sieht. So von oben und von draußen. Und lacht sich kaputt über die Probleme, die all jene haben, die sich da im Pool tummeln oder sich gegenseitig die Badeliegen streitig machen. Alireza Golafashan, 1986 in Teheran geboren, mit zwölf nach Deutschland gekommen, ist möglicherweise deswegen eine derartige Hoffnung fürs darbende deutsche Komödienwesen, weil er genau aus dieser Bademeisterperspektive auf die deutsche Gegenwart blickt. Die Frage ist nur, was man davon hat.
„Alles Fifty Fifty“ heißt Golafshans dritter Film. Und der irgendwie exilgriechische Bademeister, den er am strahlenden Pool von Apulien erzählen lässt, heißt Paris. Das ist eine ähnliche Bildunghuberei wie die schrecklichen Gipsbüsten, die in den Gängen des Resorts herumstehen und den reichen Flachköpfen, die sich das Einmieten leisten können, eine gewisse Historizität vermitteln sollen. Man möchte im Kino sofort den Zauberstab zücken. Lässt es aber besser sein. Weil man sonst aus dem Gefuchtel nicht mehr herauskäme.
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Eine feste Burg von SUV
„Alles Fifty Fifty“ ist die Geschichte von Milan. Der ist elf. Seine Eltern heißen Andi und Marion. Und sind Juristen in München. Sie fährt – so sind Münchner Juristen wohl – eine feste Burg von einem SUV, er einen gelben Sportwagen. Sie sind geschieden. Mit ihnen möchte man nicht in einem Aufzug stecken bleiben, und bei einem Elternabend möchte man ihnen auch nicht begegnen. In die Schule allerdings – staubfreie Flure, garantiert keimfreie Klos –, in deren Direktion Marion und Andi zitiert werden, weil Milan sich mal wieder danebenbenommen hat, würde ausnahmslos jeder Berliner Erziehungsberechtigte seine Brut schicken.
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Milan macht sich die unterschiedlichen Erziehungsprogramme seiner gespaltenen Elternschaft (sie hat als hochneurotische Bedenkenträgerin alle Erziehungsberater gelesen, er lässt allem eine lange Leine) gnadenlos manipulativ zunutze. Das blasierte Früchtchen bereitet eine Karriere als FDP-Vorsitzender vor.
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Es dauert keine Viertelstunde, da hat man von Andi und Marion und Milan eigentlich die Nase derart voll, dass man noch nicht mal mehr wissen möchte, was Golafshan mit ihnen in Apulien anstellt, wohin die drei samt Robin, Marions grenzdebilem Personaltrainer, mit dem sie ihr Bett teilt, in die Ferien fahren, weil sie ihre Terminkalender nicht unfallfrei übereinander gelegt bekommen haben.
Dass er etwas anstellen wird mit diesen Figuren, die mit der Lebenswirklichkeit von 90 Prozent aller Geschiedenen so viel zu tun haben wie München-Grünwald mit Berlin-Hellersdorf, ahnt man da auch schon. Und dass dieser schnurstracks vor sich hin rumpelnde (Vorsicht: Bildungshuberei) Thespis-Karren im Gegensatz zur Anarchie, die Kern jeder wahren Komödie ist, bloß eine höchst restaurative Familienkutsche ist.
Trailer zu "Alles Fifty Fifty"
Man kann nicht sagen, dass Golafshan in seinem Drehbuch-Hobbykeller keine lustigen Dialoge mit der Laubsäge geschnitzt hätte. Das hat schon Screwball-Qualitäten (auch wenn sie so wahnsinnig berechenbar sind wie die ganze übrige Dramaturgie). Man kann auch nicht sagen, dass Moritz Bleibtreu (Andi) und Laura Tonke (Marion) und vor allem der sich selbst komplett entblödende David Kross (Robin) sich nicht wahnsinnig viel Mühe gäben, diese Dialoge lustig aufzusagen.
Doch am Ende sitzt man da und weiß nicht, warum man da saß und was einem diese Geschichte voller Lebensweisheiten aus dem Lebensratgeber-Onlineshop sagen soll, außer dass auch werdende FDP-Vorsitzende ihre Probleme haben und dass auch aus denen Menschen werden können, wenn sie Glück haben. Nach Apulien möchte man allerdings schon. In dieses Licht, unter diese Sonne. Ein Traum.
„Alles Fifty Fifty“ läuft im Kino.